5. IMĀMĪYA = ǦAʿFARĪYA = ZWÖLFER-ŠĪʿA
Für die Imāmīya habe ich fünf Autoren herangezogen: einen aus dem elften Jahrhundert, einen aus dem dreizehnten, dazu einen Kommentar aus dem sechzehnten Jahrhundert, sowie zwei Texte aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Allgemein kann gesagt werden, daß sie den Tatkomplex liwāṭ stärker differenzieren als die sunnitischen Juristen.
Präklassisch
Der große Jurist Abū Ǧaʿfar Muḥammad b. al-Ḥusain aṭ-Ṭūsī (gest. vor 460/1067) lebte zwar in einer Zeit, in der klassische fiqh-Werke verfaßt wurden, sein Kitāb al-istibṣār ist jedoch so wenig systematisch, daß es nicht als klassisch gewertet werden kann. Im bāb al-ḥadd fi l-liwāṭ führt er einen Ausspruch ʿAlīs (Wenn es jemand verdiente, zweimal gesteinigt zu werden, so wäre es der lūṭī.) und 12 casus auf:[134]
Schwert und Verbrennen der Leiche für alle
Schwert ohne Spezifikationen
Schwert für muḥṣan – 100 Hiebe für ġair muḥṣan
Steinigung für muḥṣan – 100 Hiebe für ġair muḥṣan
Schwert bei Penetration (Durchlöchern/ṯaqb) – 100 Hiebe ohne Durchlöchern
Schwert/Herabstürzen/Verbrennen für Eindringen (īqāb)
Schwert/H.st./Verbr./Steinigung für Eindringen so muḥṣan
ḥadd wie für zānī ohne Spezifikationen
ḥadd wie für zānī f. d. Eindringer – Schwert für den, in den eingedrungen wird
Steinigung für muḥṣan, der eindringt – Hiebe für ġair muḥṣan, der eindringt
Hiebe für muḥṣan, ohne Penetration
Schwert für muḥṣan, der eindringt – Tadel für den (penetrierten) ġulām (Sklaven/Minderjährigen?)
Schwert bei tafḫīḏ – 100 Hiebe für zwei unter einer Decke – Schwert bei Wiederholung, so muḥṣan
Selbst die Begriffe bleiben uneindeutig: einmal definiert er lūṭī als ‚Eindringer‘, während ein ander’ Mal tafḫīḏ unter liwāṭ fällt.
Von Naǧmaddīn Ǧaʿfar b. al-Ḥasan b. Yaḥyā al-Ḥillī al-Muḥaqqiq al-Auwal (gest. 676/1277) habe ich zwei fiqh-Werke eingesehen, deren liwāṭ-Kapitel einander wie zwei Eier gleichen: den Muḫtaṣar an-Nāfi [135] und Šarāʾiʿ al-islām fī masāʾil al-ḥalāl wa-l-ḥarām.[136] Letzteres weist zusätzlich eine Definition auf, erwähnt einmal eine abweichende Meinung, ist aber weitschweifiger und hat eine andere Reihenfolge der Punkte. Da der Muḫtaṣar knapp und klar ist, hier eine Übersetzung:
- liwāṭ gilt als erwiesen bei viermaligem Geständnis; bei ein-, zwei- oder dreimaligem wird mit taʿzīr gezüchtigt.
- Bedingung für ein (gültiges) Geständnis sind: Zurechnungsfähigkeit, Freiwilligkeit und Freiheit – beim Passiven wie beim Aktiven.
- liwāṭ gilt durch vier Zeugen als erwiesen: sind es weniger, so werden sie mit ḥadd [für Verleumdung A.S.] belegt.
- Der Eindringende wird getötet, auch wenn er einen Minderjährigen oder Unmündigen*lutet; der Minderjährige wird gezüchtigt. Sind beide volljährig,[137] so werden sie getötet, auch wenn der Herr (w.: er) seinen Sklaven *lutet.
- Wenn der Sklave behauptet, gezwungen worden zu sein, entfällt die ḥadd-Strafe für ihn.
- Wenn ein ḏimmī einen Muslim *lutet, wird er getötet, auch wenn er nicht eingedrungen ist.
- Wenn er einen seinesgleichen *lutet, steht es dem Imām frei: die Auferlegung (der Strafe) oder die Übergabe an die Leute seiner Gemeinschaft, damit diese ihn mit dem ḥadd bestrafen.
- Das Eindringen macht die Tötung des Aktiven und des Passiven obligatorisch, wenn er volljährig und bei Verstand ist, und dies gilt für alle Eindringenden.
- Der Verrückte wird nicht mit der ḥadd-Strafe belegt, auch wenn er der Aktive ist – nach der richtigen Meinung.
- Der Imām hat die Freiheit, den Eindringer zu köpfen (qatl), zu steinigen, von einer Mauer zu stürzen oder zu verbrennen.
- Er hat die Freiheit, die Verbrennung mit einer anderen (Tötungsart) zu verbinden.
- Wer nicht eindringt, dessen ḥadd-Strafe beträgt 100 (Hiebe) – nach der richtigen Meinung; der Freie und der Sklave werden dabei gleich behandelt.
- Wenn er es trotz der ḥadd-Bestrafung von 100 (Hieben) wiederholt, so wird er beim vierten Mal mit dem Tode bestraft – wegen der (großen) Ähnlichkeit (mit der ḥadd-Tat). [138]
- Zwei (Männliche), die nackt unter einer Decke zusammen sind und nicht blutsverwandt, werden nach taʿzīr gezüchtigt: von 30 bis 99 Hieben.
- Wenn er es trotz der Wiederholung der taʿzīr-Züchtigung wiederholt, so gilt beim dritten Male die ḥadd-Strafe.
- Ebenso wird mit taʿzīr gezüchtigt, wer einen ġulām mit Leidenschaft küßt. …
20. Die ḥadd-Strafe (für Tribadie) wie für liwāṭ entfällt bei Reue vor der Beweiserbringung, nicht aber danach. …
25. Die Kuppelei – also das Zusammenführen von Männern und Frauen zum Zwecke von zinā oder von Männern und ṣibyān zum Zwecke von liwāṭ …
Postklassische Juristen
Von den vielen Kommentaren zu Ḥillī sei nur der von Zainaddīn Aḥmad b. ʿAlī al-ʿĀmilī (gest. 866/1558) zu den Šarāʾiʿ al-islām [139] erwähnt; sein Anfang ist für die Definition von liwāṭ von Interesse:
Ḥillī: Was den liwāṭ angeht, so ist er das Koitieren von Männlichen [140] durch Eindringen (īqāb) oder auch anderes … – ʿĀmilī: Mit ‚Eindringen‘ meint er ‚Einführen‘ (idḫāl). Auch wenn die beiden (īqāb und idḫāl) hinsichtlich der rituellen Waschung nicht gleich sind,[141] sind sie es hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung (ḥukm). Es wird als Eindringen gerechnet, wenn die Eichel [ganz A.S.] eindringt. Vollständiges Eindringen [des Penis A.S.] ist nicht [notwendiges A.S.] Zeichen für liwāṭ. Anderes als Eindringen – wie Verkehr zwischen den Schenkeln und zwischen den Pobacken – wird als liwāṭ bezeichnet, auch wenn sich dessen rechtliche Beurteilung [von dem ḥukm von liwāṭ im engeren Sinne] unterscheidet. Die Anwendung [des Ausdruckes] ‚lūṭī‘ auf diesen Bereich … ist berechtigt, auch wenn [der Ausdruck] ‚liwāṭ‘ [in erster Linie] auf Eindringen angewandt wird und anderes als dies mit einem anderen Terminus belegt wird [etwa mit tafḫīḏ]. Wenn ein besonderer ḥadd-[Straftatbestand] dafür nötig wäre, hätte man dafür einen eigenen Ausdruck (iṭlāq ʿalā ḏālika) [nämlich einen terminus für alle verbotenen Formen von waṭʾ ohne īqāb (tafḫīḏ bezieht sich ja genau genommen nur auf den Verkehr zwischen den Schenkeln) A.S.] und die Berichte wandten diese Bezeichnung (liwāṭ) darauf an.[142]
Hier wird klar zwischen zwei Handlungen unterschieden, die unterschiedlich bestraft werden sollen, aber beide als liwāṭ bezeichnet werden können.[143]
Ansonsten besteht der „Kommentar“ des ʿĀmilī zum größten Teil aus Aussprüchen der Imāme (manchmal einer Kritik der Überlieferer) und der Ansichten (relativ später) šīʿitischer Juristen. Bemerkenswert ist eine Stelle zu den Tötungsarten, weil hier „Aktiver“ und „Passiver“ unterschiedlich behandelt werden. Während der ātī getötet werden soll, so er muḥṣan ist, und sonst ausgepeitscht, soll der maʾtī in jedem Fall getötet werden (Ǧaʿfar aṣ-Sādiq laut Ḥamdān ʿUṯmān) .[144]
Übrigens ist die Definition von muḥṣan bei den Imamiten praxisnäher als bei den Sunniten, während letztere nur einen legalen Geschlechtsverkehr verlangen, wie lange er auch zurückliegen mag, damit die härteren Strafen fällig werden, verlangen erstere, dass der Sünder gesündigt hat, obwohl er in der Woche der Tat die Gelegenheit zu legalem Geschlechtsverkehr hatte, dass er also zum Zeitpunkt der Tat eine Ehefrau oder Sklavin hat, die in seiner Nähe lebt und die nicht durch Krankheit am Geschlechtsverkehr gehindert ist.
20. Jahrhundert
Muḥammad Ǧawād Muġnīya (1904–1979) bringt eine recht konzise Fassung des ǧaʿfaritischen Standpunktes, die sich nur durch das Weglassen der Bestimmungen über Sklaven, über tafḫīḏ und über Küssen von den alten Texten unterscheidet.[145] Am Anfang und am Schluß betont er die Schwere der Sünde („verbotener denn zinā“, schlimmere Folgen für die Gemeinschaft als die übrigen Verbrechen“).
Das Strafgesetzbuch der Islamischen Republik Iran ist von besonderem Interesse, läßt sich doch an ihm überprüfen, inwieweit die Gesetzgebung der Islamischen Republik Iran den klassischen Juristen folgt bzw. Neues als islamisch deklariert. Es gibt drei Texte, die ich zusammen darstelle, da die Unterschiede zwischen ihnen gering sind. Am 6.1.1981, also zwei Jahre nach der Revolution, veröffentlichte Inqilāb-i Islāmī einen in erster Lesung vom Parlament gebilligten Entwurf zu einem Strafgesetzbuch; die ‚Iran AG Westberlin‘ veröffentlichte davon eine deutsche Übersetzung.[146]
Am 3.6.1361/25.8.1982 verabschiedete das Parlament ein Gesetz über ḥudūd, am 20.7.1361/12.10.1982 ein Gesetz über qiṣāṣ; Masouduzzafar Samimi Kia veröffentlichte im nächsten Jahr in Tehrān eine englische Übersetzung von beiden.[147]
Das Gesetz sollte fünf Jahre gültig sein, wurde aber erst am 8.5.1370/ 30.7.1991 durch ein neues Strafgesetzbuch abgelöst, welches Silvia Tellenbach 1995 „übersetzte“. Obwohl Tellenbach in der Einleitung die Übersetzung von zinā mit „Unzucht“ und „Ehebruch“ als „ungenau“[148] geißelt, gibt sie liwāṭ mit „Homosexualität“ wieder und musaḥaqa mit „lesbische Liebe“. Sie nennt die arabischen Termini nicht. Offensichtlich betrachtet sie „Homosexualität“ und „lesbische Liebe“ als unproblematisch.[149] Sie hält „Homosexualität“ für „sexuelle Handlungen unter Männlichen“ und sie traut dem islamischen Recht zu, „Liebe“ unter Strafe zu stellen.
ḥadd für liwāṭ
138/139/108 liwāṭ ist das Koitieren (waṭʾ) eines Männlichen (insān muḏakkar ) [150][durch Eindringen mit dem Glied oder Schenkelverkehr (tafḫīḏ)].[151]
139/140/109
Wenn jemand einen Männlichen koitiert, sollen beide, der Aktive und der Passive, zur ḥadd-Strafe verurteilt werden. [ … ]
140/141/110
Die ḥadd-Strafe für liwāṭ [in der Form des Eindringens] ist die Tötung;
—/141/110
der šarīʿa-Richter entscheidet über die Tötungsart.[152]
141/142/111
Auf liwāṭ steht die Tötung, wenn Aktiver und Passiver volljährig und geistig gesund sind und freiwillig (handelten).
141/—/—
Deshalb zieht liwāṭ einer minderjährigen, schwachsinnigen oder dazu gezwungenen Person nicht die Tötung nach sich.[153]
142/143/112
Wenn ein volljähriger und geistig gesunder Mann einen Minderjährigen koitiert, soll der Aktive getötet werden, und der Passive soll nach dem Ermessen des Richters gezüchtigt werden [mit bis zu 74 Peitschenhieben], so er nicht dazu gezwungen wurde.[154]
143/144/113
Wenn ein Minderjähriger einen andern Minderjährigen koitiert, sollen sie nach dem Ermessen des Richters gezüchtigt werden, es sei denn, einer von beiden wurde dazu gezwungen.
143/144/—
Anmerkung: Samenerguß während des Aktes erweist die Volljährigkeit des Aktiven.[155]
Art und Weise des Beweises von liwāṭ
A. Geständnis
144/145/114
Wenn der Aktive oder Passive viermal [vor dem Richter] gesteht, so ist liwāṭ für den Geständigen erwiesen.[156]
145/146/116
Das Geständnis ist gültig, wenn der Geständige volljährig und geistig gesund ist und freien Willen und Vorsatz hat.
146/147/115
Wenn der Aktive oder der Passive weniger als viermal gesteht, so gilt liwāṭ nicht als bewiesen, aber der Richter soll nach seinem Ermessen züchtigen.
148/149/118
Wenn weniger als vier rechtschaffene Männer das bezeugen, so ist liwāṭ nicht bewiesen, und die Zeugen sollen zum ḥadd für Verleumdung verurteilt werden.
149/150/119
Das Zeugnis von Frauen beweist liwāṭ nicht – weder allein, noch zusammen mit Männern.
150/151/120
Der Richter kann ein Urteil auf Grundlage seines Wissens, das er auf allgemein üblichem Wege[157] (az ṭarīq-i mutaʿārif) erlangt hat, fällen.[158]
Schenkelverkehr (tafḫīḏ)
151/152/121
Die Strafe für tafḫīḏ und Ähnliches begangen von zwei Männlichen ohne Eindringen, ist 100 Hiebe für den Aktiven und den Passiven. Anmerkung: Wenn der Aktive kein Muslim ist und der Passive es ist, wird der Aktive getötet.[159]
152/153/122
Wenn tafḫīḏ oder Ähnliches dreimal wiederholt wird und die ḥadd-Strafe jedesmal verhängt worden ist, sollen beide beim vierten Mal getötet werden.
153/154/123
Wenn zwei nicht blutsverwandte Männer ohne Not (d.h. ohne guten Grund) nackt unter einer Decke liegen, sollen sie [mit bis zu 99 Peitschenhieben] (nach dem Ermessen des Richters) gezüchtigt werden.
154/155/124
Wenn jemand eine andere Person lüstern küßt, soll er [mit bis zu 60 Peitschenhieben] (nach dem Ermessen des Richters) bestraft werden.[160]
155/156/126
Falls der Begeher von tafḫīḏ oder Ähnlichem oder der lūṭī seine Handlung – ob mit oder ohne Eindringen – bereut, bevor die Zeugen Zeugnis abgelegt haben, soll die ḥadd-Strafe fallengelassen werden, und falls er bereut, nachdem Zeugnis abgelegt wurde, soll die ḥadd-Strafe
nicht fallengelassen werden.
156/156[161]/125 Falls die Handlungen durch Geständnis bewiesen werden, kann der Richter vergeben [bei walī al-amr den Antrag auf Begnadigung stellen]. … … …
166/136
Kuppelei wird durch zweimaliges Geständnis bewiesen, sofern der Geständige volljährig, geistig gesund und freien Willens ist.
167/137
Kuppelei wird durch das Zeugnis zweier unbescholtener Männer bewiesen.
168/138
Die Strafe für Kuppelei ist siebzig [75] Peitschenhiebe und Verbannung vom Wohnort für einen vom Richter festzusetzenden Zeitraum. Beachte: Die Strafe für Kuppelei (begangen) von einer Frau ist fünfundsiebzig Peitschenhiebe.
169/139
Verleumdung (qaḏf) ist jemandem zinā oder liwāṭ nachzusagen.
170/140
Die ḥadd-Strafe für qaḏf ist achtzig Peitschenhiebe gleich ob ein Mann oder eine Frau verleumdet. [Erläuterung 1: Die Verhängung der ḥadd-Strafe für Verleumdung hängt vom Antrag des Verleumdeten ab.] Beachte: Wer eine Person nicht wegen zinā oder liwāṭ verleumdet, sondern anderer Vergehen wie etwa Tribadie, wird mit dreißig bis fünfzig [bis zu 74] Peitschenhieben bestraft. … … …
174/143
Wer jemanden nachsagt, er habe zinā mit einer Frau oder liwāṭ mit einem Mann begangen, so ist das Verleumdung des Beschuldigten; er wird mit ḥadd bestraft. … … …
195/160
Wer jemanden mehrmals wegen verschiedener Dinge wie zinā oder liwāṭ verleumdet, wird mit mehreren ḥadd-Strafen bestraft.
Das Strafgesetzbuch der Islamischen Republik Iran folgt also dem klassischen fiqh in allen Einzelheiten: selbst die Diskriminierung von Frauen und ḏimmīs bleibt – nur der Sklave wird nicht mehr erwähnt.
KLEINE MAḎĀHIB
1. ẒĀHIRĪYA
Charles Pellat schreibt im EI-Artikel liwāṭ, die meisten Nicht-Ḥambaliten sähen für den ġair muḥṣan die Auspeitschung vor, und fährt fort: „man muß noch hinzufügen, daß manchmal empfohlen wird, die vorgesehene Strafe (100 Hiebe) nicht ganz anzuwenden, und Ibn Ḥazm geht so weit, die Zahl auf 10 zu verringern.“[162]
Diese Bemerkung verkennt den Charakter des ḥadd und der Ẓāhirīya (das sind ja die an den Wortsinn Gebundenen): eine ḥadd-Strafe zeichnet sich ja gerade durch ihre Festgelegtheit aus. Da sie auf den Rechtsansprüchen Gottes beruht, kann an ihr nichts „verringert“ werden; es handelt sich hier nicht um taḫfīf. Ibn Ḥazm sieht statt ḥadd az-zinā taʿzīr von 10 Hieben vor. Schon im berühmten Ṭauq al-ḥamāma, spricht sich Ibn Ḥazm – à propos Strafmaß –gegen tazyīd fi l-iǧtihād aus und bringt einen ḥadīṯ nach Buḫārī, nach Yaḥyā b. Sulaimān, nach Wahb, nach ʿAmr, nach Bukair, nach Sulaimān b. Yasār, nach ʿAbdarraḥmān b. Ǧābir, nach seinem Vater, nach Abū Burda: „Ich hörte den Gesandten Gottes sagen: es werden nicht mehr als 10 Hiebe ausgeteilt außer bei den ḥudūd Allāh.“ (lā yuǧallad fauqa 10 aswāṭ illā fī ḥadd min ḥudūd Allāh).[163] Dieser ḥadīṯ (mit den gleichen ersten Gliedern des isnād) findet sich außer bei Buḫārī (ḥudūd bāb 43) auch bei Muslim (ḥudūd tr. 39[164]), bei Ibn Māǧa (ḥudūd bāb 32), Tirmiḏī (taʿzīr bāb 30) und bei Ibn Ḥambal (al-Qāhira, III 466, IV 45).[165]
Wie die Ḥambaliten[166] scheinen die andalusischen Ẓāhiriten 10 als Höchstzahl an Hieben für alles angesehen zu haben, wo Qurʾān und Sunna nicht ausdrücklich eine höhere Zahl festlegen. Was Pellat erwähnt, eine spezielle Beschränkung auf 10 bei liwāṭ, bedürfte bei Ẓāhiriten eines speziellen Textes und ein solcher ist mir nicht bekannt.
Ibn Ḥazms Muḥallā
Anders als die frühen Schulen (Ḥanafiten, Mālikiten) mußten die späten maḏāhib von Anfang an ihre Methoden benennen und Bestimmungen begründen. Dies gilt ganz besonders für die Gründungen des neunten Jahrhunderts, Abu Ǧaʿfar Muḥammad b. Ǧarīr aṭ-Ṭabarīs (gest. 310/923) Ǧarīrīya und Dāʾūd b. ʿAlī al-Iṣfahānīs (gest. 270/884) Ẓāhirīya. Leider hat sich kein fiqh-Werk von aṭ-Ṭabarī erhalten – doch kann manspan seinem musnad Tahḏīb al-āṯār entnehmen, daß er das uqtulū-ḥadīṯ von Ibn ʿAbbās trotz der ihm bekannten Einwände als gesund akzeptierte.[167] Für die Ẓāhirīya jedoch liefert Ibn Ḥazm ein schönes Beispiel für rationale Auseinandersetzung mit dem Problem. In seinem Muḥallā heißt es:
Das Tun der Leute von Lot zählt zu den großen Sünden, dem Abscheulichen und Verbotenen, wie [das Essen von] Schweinefleisch, Aas und Blut, sowie [das Trinken von] Wein, wie Unzucht und die übrigen Sünden. Wer etwas davon erlaubt, ist Ungläubiger und Polytheist; jeder darf ihn töten und sich seines Besitzes bemächtigen.
Indessen sind die Menschen über die Strafe dafür uneins. Eine Gruppe sagt: Der Obere und der Untere werden im Feuer verbrannt. Eine andere Gruppe sagt: Der Obere und der Untere werden auf den höchsten Berg der Siedlung gebracht und von ihm herabgestürzt, und Steine werden auf sie herabgeworfen. [Wieder] andere sagen: Der Obere und der Untere werden gesteinigt, gleich ob sie muḥṣan sind oder nicht.
Eine [vierte] Gruppe sagt: Sie werden beide [mit dem Schwert] getötet. Eine [fünfte] Gruppe sagt: Der Untere wird gesteinigt, ob er muḥṣan ist oder nicht, und der Obere wird gesteinigt, wenn er muḥṣan ist – falls nicht, wird er mit 100 Hieben gepeitscht (ǧald az-zinā). Eine [sechste] Gruppe sagt: Der Obere und der Untere werden gesteinigt, wenn sie muḥṣan sind, und wenn sie es nicht sind, mit 100 Hieben gepeitscht wie bei zinā.
Eine [siebte] Gruppe sagt: Für sie gibt es keine ḥadd-Strafe und keine Hinrichtung (qatl), sondern sie werden mit taʿzīr gezüchtigt. ...[168]
Dann nimmt Ibn Ḥazm die Überlieferungen einzeln auseinander, alle etwa so:
…
All dies haben sie gefälscht. Nichts davon ist richtig. … ist schwach … ist schwach … Aufgrund solcher Überlieferungen ist es nicht erlaubt, das Blut eines Juden oder Christen zu vergießen – stehe er unter dem Schutz des Islam oder nicht. Und wie sollte es dann erlaubt sein, das Blut eines sündigen oder reuigen Muslims zu vergießen?
Wenden wir uns der Ansicht derjenigen zu, die da sagen: Sie werden beide gesteinigt, seien sie muḥṣan oder nicht. Sie begründen dies damit, daß Gott so mit Lots Leuten verfahren sei. Gott sagt: „Und wir ließen Steine von übereinandergeschichtetem Ton auf sie regnen, bei deinem Herrn gezeichnet“ [XI 82f], sowie mit oben erwähnten Aussprüchen, etwa dem nach [… sieben Überlieferer] nach dem Propheten, der sagte:
Wer das Tun der Leute Lots tut, steinigt den Oberen und den Unteren! Und er [Abū Hurairah] sagte dazu: muḥṣan oder nicht. Und durch all dieses haben sie Uneinigkeit geschaffen, wie wir berichtet haben; all dies ist kein Argument, wie wir nun zeigen werden – so es Gott gefällt. Was Gott mit Lots Leuten getan hat, so verhält es sich nicht so, wie sie sagen, denn Gott hat gesagt: „Die Leute Lots haben die Warnungen zu Lügen erklärt. Wir schickten einen Sandsturm über sie [mit Ausnahme der Familie Lots. Die erretteten wir zur Zeit der Morgendämmerung, indem wir Gnade walten ließen. So vergelten wir dem, der dankbar ist. Er hatte sie doch davor gewarnt, daß wir zupacken würden. Aber sie begegneten den Warnungen mit Zweifeln. Sie hatten ja das Ansinnen an ihn gestellt, er solle ihnen seine Gäste ausliefern. Aber wir nahmen ihnen das Augenlicht.] Sie sollten meine Strafe und meine Warnungen zu spüren bekommen.“ LIV 33–37] Und Gott sagte: „Wir werden dich und deine Familie retten, mit Ausnahme deiner Frau. Sie gehört zu denen, die zurückbleiben.“ [XXIX 33] und: „Sie (f.) wird treffen, was sie (pl.) getroffen hat.“ [XI81]
2. ZAIDITEN
In dem Zaid b. ʿAlī b. Ḥusain (gest. 122/740) selbst zugeschriebenen Maǧmūʿ al-fiqh[169] habe ich drei mehr oder weniger relevante Stellen entdeckt. Die unjuristische habe ich schon zitiert (vgl. S. 63); hier die beiden anderen:
Zaid berichtete mir nach seinem Vater nach seinem Großvater nach ʿAlī; er sagte, daß der Prophet gesagt habe: ‚Ich verfluche dreierlei, denn Gott der Erhabene hat sie verflucht: den mit seinen Untertanen handeltreibenden Imām, den, der das Vieh koitiert, und die zwei Männlichen, von denen einer den anderen koitiert. ‘[170]
Kapitel von der Strafe des lūṭī
Zaid berichtete mir nach seinem Vater nach seinem Großvater nach ʿAlī über zwei Männliche, von denen einer seinen Gefährten koitiert, daß die ḥadd-Strafe für sie beide die ḥadd-Strafe für den zānī ist; wenn sie beide muḥṣan sind, werden sie gesteinigt, wenn sie es beide nicht sind, werden sie ausgepeitscht.[171]
Klassische Juristen
Der nach 836/1432 gestorbene jemenitische Imām al-Mahdī Aḥmad b. Yaḥyā al-Murtaḍā setzt im Ġaiṯ al-midrār al-mufattiḥ[172]
Beschlafen eines Mannes der in vaginam vel anum einer Frau gleich. Den einschlägigen Absatz seines Kitāb al-baḥr az-zaḫḫār eröffnet er mit einer Definition: al-liwāṭ ityān aḏ-ḏakar fi d-dubr (Sodomie ist das Eindringen des Penis in anum).[173] Es sei eine große Sünde (kabīra), seine Bestrafung sei mit Schande verbunden; er erwähnt den Verflucht-ḥadīṯ sowie einen, der in keiner der durchsuchten zwanzig sunnitischen Sammlungen verzeichnet ist: Wenn ein Mann einen Mann penetriert, sind sie beide Hurer (zāniyān).
Zur Strafe schreibt er: Sein ḥadd ist der ḥadd für zinā in Analogie (qiyāsan). Der zurechnungsfähige, freiwillig handelnde, selbst wenn er noch keinen legalen Geschlechtsverkehr gehabt hat (wa-lau bikran), wird hingerichtet. über die Tötungsart besteht Uneinigkeit. Wer seine Frau oder Sklavin nicht-vaginal beschläft, wird nicht bestraft.
3. ISMAʿĪLITEN
Der Jurist der Ismāʿīliten, der qāḍī Abū Ḥanīfa an-Nuʿmān b. Muḥammad b. Manṣūr (gest. 363/974), schreibt in seinem Kitāb al-iqtiṣār: „Und das Tun des Volkes von Lūṭ wird wie zinā behandelt: der Aktive und der Passive werden gesteinigt, so eingedrungen wurde.“[174]
HÄRETIKER
Aus drei Gründen werden die islamischen Häretiker meist übergangen: weil Geschichte von Siegern aufgezeichnet wird, weil diese festlegen, was Islām ist, und, weil man oft in Ungedanken Heutiges in die Vergangenheit ‚verlängert‘ so wird etwa aus der Šīʿa etwas genuin Persisches und aus Persien der Hort der Šīʿa. Obwohl ich ihnen Unrecht tue, wenn ich sie ‚Häretiker‘ nenne und die Quellen der ‚Sieger‘ benutze, will ich sie doch nicht ganz übergehen: die vielen šīʿitischen ‚übertreiber‘, zumal vermutet werden darf, daß der Šīʿa vom 9. bis 13. Jahrhundert die Mehrheit der islamischen Bevölkerung Syriens und des Iraks anhingen (und wohl auch der islāmisierten Türken).
1. AUSGESTORBENE GRUPPEN
Mez schreibt in der Renaissance des Islams über eine von Abū Ǧaʿfar Muḥammad b. ʿAlī Ibn aš-Šalmaġānī (hingerichtet 322/934) gegründete Sekte: „Auch die Knabenliebe habe man für notwendig erachtet, damit so der Höherstehende den Niedrigeren mit seinem Lichte durchdringen könne.“[175]
Auch Louis Massignon erwähnt Šalmaġānī im Zusammenhang dieses šujet scabreux“;[176] er gehört wohl zu ǧewissen Initiationszirkeln von Extremšīʿiten, [in denen die] Vorstellung der Veränderung der Gestalt [bei der Auferstehung so interpretiert wurde, daß] die auferstandenen Erwählten ihr Geschlecht frei wählen könnten. Diese Doktrin zeichnet sich bei den Nuṣ airī ab, deren Initiation nikāḥ heißt und für die alle Auferstandenen männlich sein werden (Fāṭima wird ‚Fāṭir‘ ): dies stattet die Gläubigen (beider Geschlechter) der Sekte mit einem aktiven Hermaphrodismus aus, … sogar zwei Sorten von Jungfräulichkeit zu entjungfern, männliche und weibliche ‚undurchbohrte‘ Perlen, die extra dafür geschaffenen ḥūrīs und ġilmān (oder wildān, die die Tradition mit den Söhnen der mušrikīn identifi ziert). Umgekehrt stellen sich einige Qarmaten [das himmliche Leben] als passive Hermaphroditen vor, was sie für ‚überlegen‘ (afḍal) halten, weil es das Schicksal der ḥūrīs und ġilmān sei, … “[177]
Darstellung imāmitischer Häresiographen
Heinz Halm hat für seine Arbeit Die islamische Gnosis [178] vor allem zwei imāmitische Häresiographen herangezogen: al-Ḥasan b. Mūsā an-Naubaḫtī (gest. um 310/920) mit den Firaq aš-Šīʿa [179] sowie Saʿd b. ʿAbdallāh al-Qummī, der die hier zitierten Passagen in sein Kitāb al-maqālat wa-l-firaq[180] (verfaßt vor 292/905) übernommen hat.
über die Ḫaṭṭābīya: „Eine Sekte von ihnen sagte, Ǧaʿfar b. Muḥammad sei Gott und Abu l-Ḫaṭṭāb ein Prophet und Gesandter, den Ǧaʿfar gesandt und dem zu gehorchen er befohlen habe. Sie erklärten alle verbotenen Dinge wie Unzucht, Sodomie (liwāṭ), Diebstahl und Weintrinken für erlaubt …“[181] Ferner: „eine Sekte lehrte, … das (göttliche) Licht war in Ǧaʿfar, dann verließ es ihn und ging in Abu l-Ḫaṭṭāb ein, Ǧaʿfar aber wurde ein Engel; dann verließ es Abu l-Ḫaṭṭāb und trat in Maʿmar ein, während Abu l-Ḫaṭṭāb zum Engel wurde; so war nun Maʿmar Gott. Der Sohn des Milchhändlers [Ibn al-Labbān] trat hervor und warb für Maʿmar und sagte: ‚Er ist Gott‘ und betete zu ihm und fastete. Er erklärte alle Begierden, ob erlaubt oder verboten, für frei … Er sagte: ‚Gott hat dies doch nur für seine Geschöpfe erschaffen; wie könnte es verboten seinö‘ Und er erklärte Unzucht, Diebstahl, Weintrinken … und Geschlechtsverkehr unter Männern nikāḥ ar-riǧāl für erlaubt.“[182]
Die ‚Verfünffacher‘ sagten: „Die verbotenen Dinge – Hurerei, Weintrinken, Diebstahl, Sodomie (liwāṭ) und alle schweren Sünden … – all dies bedeute [lediglich bestimmte] Männer und Frauen zu meiden und zu fliehen.“[183] Weiter: „… sie verwarfen die Almosensteuer, die Pilgerfahrt und die übrigen Pflichten und lehrten, die verbotenen Dinge wie Frauen und Knaben (ġilmān) seien erlaubt. Als Entschuldigung dafür führten sie Gottes Wort [XLII 50] an: “… oder sie zu Paaren macht – männlichen und weiblichen.“[184]
2. EINE ÜBERLEBENDE GRUPPE: DIE NUSAIRĪ
Da alle überlebenden Sekten Geheimreligionen geworden sind, ohne Mission und mit Endogamiegebot, ist über die Yazīden, die Ahl-i Ḥaqq, selbst über die große Gruppe der türkischen Aleviten nicht viel Sicheres bekannt. Und darüber die Religion der Nuṣairī[185] (etwa 1 Million, hauptsächlich in Syrien, kleine Gruppen im Libanon, im heute türkischen Sanǧaq von Iskandarūn, in Palästina und im ʿIrāq) wenig Neuzeitliches bekannt ist, ist es sinnvoll, wieder die imāmitischen Häresiographen heranzuziehen; sie schreiben über den Ausgangspunkt (wenn auch nicht den Organisator) der Sekte, über Muḥammad b. Nuṣair an-Numairī: „Er lehrte die Seelenwanderung und die Übertreibung bezüglich der Person des Abu l-Ḥasan [ʿAlī al-Hādī al-ʿAskarī], schrieb ihm Göttlichkeit zu, lehrte, daß die verbotenen Dinge erlaubt seien, und erklärte den Analverkehr unter Männern (nikāḥ ar-riǧāl) für erlaubt, denn er behauptete, dies sei ein Zeichen von Selbsterniedrigung und Demütigung.“[186]
Auch Ḥamza b. ʿAlī b. Aḥmad (gest. 410/1019), einer der Gründer der Drusen-Religion schreibt, die Nuṣairī hätten liwāṭ erlaubt.[187]
Im Lichte dieser Berichte kann angenommen werden, daß die Initiation, die jetzt eine symbolische Vermählung beinhaltet, in der ersten heißen Phase der Religion anders ablief. Über heutige Verhältnisse erfahren wir bei Halm:
[Das Ritual der Initiation] besteht aus zwei Hauptteilen, die sieben oder neun Monate auseinanderliegen und schon mit dieser Zeitspanne ihren Sinn enthüllen: sie entsprechen der Zeugung und der Geburt eines gnostischen Menschen.
Der äußere Rahmen … ist derselbe wie bei den übrigen Festen: eine Versammlung der Gemeinde im Haus eines Gastgebers – auf den Dörfern wohl auch im Freien –, präsidiert von drei Scheichen: dem Imām, einem Naqīb und einem Naǧīb. Der Adept (tilmīḏ, wörtlich: Schüler) im Alter von achtzehn bis zwanzig Jahren wird eingeführt von einer Art Paten, dem „Herren“ (sayyid) … diesem wird der Adept … regelrecht anvermählt (nikāḥ), genauer: die noch unerleuchtete Seele des Adepten wird mit der Seele… des bereits erleuchteten Paten vermählt und zeugt mit dieser eine neue erleuchtete Seele …
Die zweite große Zeremonie, die „Geburt“, … besteht im wesentlichen aus der Vereidigung des Adepten, der sein Leben dafür zum Pfand setzt, daß er die Geheimnisse der Lehre nicht verraten werde … Der Geburt folgt eine zweijährige Phase des „Stillens“ (raḍāʿ), d.h. der Unterweisung in die Lehre… [188]
[134] Teheran: Dār al-Kutub al-Islāmīya, S. 219–222.
[135] al-Qāhira: Wizārat al-Auqāf, 21958, S. 296.
[136] Teheran: al-Ḥāǧǧ Ibrāhīm, 1300/1883, S. 348; Tabrīz, 1294/1877, ohne Zählung (fol.148a–b).
[137] Ich übersetze bāliġ durchgehend mit ‚volljährig‘ , und nicht mit ‚reif/ mannbar‘ , obwohl nicht die Jahre, sondern der Körper entscheidend ist.
[138] Andere sehen die Tötung schon beim dritten Mal vor.
[139] Zainaddīn aš-Šahīd aṯ-Ṯānī al-ʿĀmilī, Šarh Šarāʾiʿ al-Islām, o.O., 1273/1856–57 (Steindruck).
[140] Man beachte, daß die Ǧaʿfarīya modernen begrifflichen Grenzziehungen näher steht als die anderen Schulen: Sodomie schließt Analverkehr mit Frauen nicht ein, und Sodomie und Tribadie werden im gleichen Kapitel behandelt.
[141] Solange der „Ring der Beschneidung“ nicht im Körper des Objekts verschwunden ist, ist die rituelle Waschung nicht nötig.
[142] Teheran: al-Ḥāǧǧ Ibrāhīm, 1300/1883, S. 349; Tabrīz, 1294/1877, fol. 148a.
[143] Als Drittes wäre leidenschaftliches Küssen ohne Koitus zu unterscheiden – vgl. Punkt 16 des Muḫtaṣar-Kapitels.
[144] Bemerkenswert, daß Prä- und Postklassiker Widersprüchliches ungeklärt nebeneinander stehen lassen können, und daß ʿĀmilī glaubt, Ḥillī korrigieren zu müssen. Ḥillī schreibt nämlich in den Šarāʾiʿ nicht nur, daß bei tafḫīḏ Freier und Sklave gleichgestellt sind, sondern auch Muslim und Ungläubiger. Dies, wendet Ḥillī ein, sei nur so, wenn der Muslim der fāʿil sei (dann werden sie beide ausgepeitscht); sei aber der Ungläubige der fāʿil, so werde er getötet. Dabei übersieht ʿĀmilī zwei weitere Fälle, nämlich den, wenn beide Muslime oder wenn beide Ungläubige sind, und hier besteht kein Unterschied zwischen den ‚Paaren‘.
[145] Fiqh al-Imām Ǧ aʿfar aṣ-Sādiq , Bairūt: Dār al-ʿIlm, 1966, VI S. 275–279.
[146] Iran AG: Vier Jahre Iranische Revolution, Berlin, 1981, S. 37f.
[147]Kia: Law of Hodoud and Qasas, Teheran: Pars Associates, 1983, S. 32–34.
[148] Tellenbach: Strafgesetze der Islamischen Republik Iran, Berlin: de Gruyter, 1996 (Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung CVI), S. 12.
[149] Der Wirrwarr von Tellenbach ist mitleidserregend: hadd al-liwāṭ übersetzt sie mit „die hadd-Strafen wegen Homosexualität“, mit „die hadd-Strafe für H.“, und mit „die hadd-Straftat der H.“. In allen Sätzen, in denen es konkret wird, übersetzt sie liwāṭ nicht mit „Homosexualität“, sondern mit „homosexueller Verkehr“ (4x), „der homosexuelle Verkehr“ (1x), „ein homosexueller Verkehr“ (2x), sowie einmal mit „Teilnehmer des homosexuellen Verkehrs“. Das einzige Mal, daß Tellenbach liwāṭ (außer in der Verbindung hadd al-liwāṭ) mit „Homosexualität“ übersetzt, kommt direkt nach der einzigen Stelle des Gesetzes, an der wirklich das persische Wort für „homosexuelles Verhalten“ (hamǧins-bāzī) steht, das sie mit „homosexuelles Spiel“ übersetzt, was vermuten läßt, daß sie nicht erkannt hat, daß dieser Neologismus in Anlehnung an „Tanzknaben-Liebhaberei“ (bačče-bāzī) geprägt wurde, und nicht weiß, daß bāzī zu „Tun“ verblaßt ist. Übrigens findet sich diese Stelle im Abschnitt „Tribadie“, nicht im Abschnitt „hadd al-liwāṭ“.
Auch die Gegenprobe erweist die Wertlosigkeit der Tellenbach’schen Übersetzung: „homosexuellen Verkehr“ benutzt sie nicht nur für liwāṭ (Arschficken), sondern, beim Art. 112, auch für waṭʾ (Koitieren, Besteigen, Bespringen), was sie beim Art. 108 mit „geschlechtlicher Verkehr mit“ übersetzt.
Tellenbach faselt in der Einleitung von der „Aufhebung der Unterscheidung von aktivem und passivem Partner [bei der weiblichen Homosexualität]“. Hat sie nicht verstanden, daß mit der Aktion (fiʿl) nicht irgendeine Tat, sondern genau „Einführen des Penis“ gemeint ist, oder was will sie mit „Aufhebung“ sagen?
[150] Tellenbach schreibt statt „eines Männlichen“ (was geschlechtsunreife Knaben und pubertierende Jünglinge einschließt), „mit einem Mann.
[151] Teile in eckigen Klammern wurden 1991 eingefügt. – Nach der oben zitierten Definition al-ʿĀmilīs darf als unproblematisch gelten, daß der Gesetzgeber begrifflich 1981/82 anders vorging als 1991; der Sache nach ändert sich hierdurch nichts; deshalb die Ergänzung im übernächsten Artikel.
Tellenbach übersetzt tafḫīḏ mit „beischlafähnliche Handlungen“, was in der deutschen Rechtssprechung pedicatio umfaßt – denn dieser ist dem eigentlichen (vaginalen) Beischlaf ja recht ähnlich –, was aber tafḫīḏ gerade nicht ist. 1985 hatte die selbe Autorin es mit „petting“ wiedergegeben. (Gutachten des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Strafrecht vom 13.11.1985)
[152] Der Satz über die Tötungsart wurde 1982 eingefügt.
[153] Der zweite Satz fiel 1982 weg.
[154] Dieser Paragraph erweist, daß die ‚vornehme‘ Ersetzung des transitiven „jemanden ficken“ durch „Geschlechtsverkehr haben mit jemandem“ (oder gar „homosexuellen Verkehr haben mit“) nicht eine Frage des Stils ist, sondern eine der Richtigkeit. Nach beiden publizierten deutschen Übersetzungen würde ein Minderjähriger, der einen andern Minderjährigen fickt, gezüchtigt (§ 143/4/113), fickte er aber einen Erwachsenen, so würde er getötet: „142 Wenn ein erwachsener und geistig gesunder Mann mit einer minderjährigen (männlichen) Person Geschlechtsverkehr hat, so soll der aktive Partner getötet werden …“ bzw. „Art. 112 Hat ein Mann, der mündig und geistig gesund ist, mit einem Unmündigen homosexuellen Verkehr, so wird … der passive Teilnehmer … mit einer taʿzīr-Strafe … bestraft.“ Im persischen Original verkehren nicht zwei miteinander, sondern der Volljährige fickt den Minderjährigen. In der Fassung der Iran AG muß man sich aber denken, daß „der aktive Partner“ der Volljährige ist, und bei Tellenbach muß man sich denken, daß „der passive Teilnehmer“ der Minderjährige ist.
[155] Wieso nur die Volljährigkeit des Aktiven? Fehlt bei Kia.
[156] In der Fassung der ersten Lesung fehlt der Hinweis darauf, daß das Geständnis nur für den Geständigen gilt (für den ‚Partner‘ ist es nur eine – von vier nötigen – Zeugenaussagen).
[157] Kia übersetzt „derived from rational methods“, die Iran AG „auf der Basis logischer Überlegungen“.
[158] In Deutschland können iranische Homosexuelle Asyl bekommen, weil am 15.3.88 das Bundesverwaltungsgericht (9 C 278/86) – wie schon der Hessische Verwaltungsgerichtshof (10 OE 69/83) – einem Gutachten von Tellenbach folgte, dem gemäß diese Bestimmung in der Islamischen Republik als Novum „eingeführt worden“ sei. Dabei kann es seit 1872 auch ein orientalischen Sprachen Unkundiger besser wissen; in Droit musulman, Recueil de lois concernant des musulmans schyites schreibt Amédée Querry: « Le magistrat peut, de sa propre autorité, condamner tout individu qu’il sait coupable de sodomie. Selon toute évidence, ce droit est accordé à tout magistrat, imâm ou autre. » (II S. 497) So steht es schon bei Ḥillī (Teheran: al-Ḥāǧǧ Ibrāhīm, 1300/1883, S. 348) und Muhammad Ǧawād Muġnīya geht in Fiqh al-Imām Ǧaʿfar aṣ-Sādiq ausführlich darauf ein (VI 276f.).
[159] Die Berliner Übersetzung lautet: „Wenn die homosexuellen Handlungen [sic] nicht zum Eindringen des Gliedes führten, sondern im Reiben der [sic] Schenkel und der Hintern bestanden, so …“ Dazu ist zu bemerken: nicht die Schenkel werden gerieben, sondern das Glied zwischen denselben.
[161] 1982 war das nur ein Artikel. Deshalb ab 165 nur noch zwei Nummern: 1981 und 1982 haben dieselbe.
[163] Ṭauq al-hamāma, Hg. Blachère, Alger, 1949, S. 366; Übers., S. 367.
[164] Sahīh, al-Qāhira, 1955, III 1332, 1333
[165] Übrigens hat nicht Buḫārī, sondern Muslim den Spruch in der von Ibn Ḥazm zitierten Form. Buḫārī hat – wie at-Tirmiḏī, Ibn Māǧa und Abū Dāūd –ǧaladāt statt aswāṭ, Muslim hat nur vier Glieder mit den andern gemein; diesen sind sechs gemeinsam.
[166] W. Heff ening taʿzīr in Enzylopaedie des Islam, Leipzig, 1935, IV S. 769.
[167] Tahḏīb al-āṯār, Musnad ʿAbdallāh Ibn ʿAbbās, al-Qāhira, 1982, S. 551–558.
[168] al-Muhallā, bāb 2299; Miṣr: al-Munīrīya, X, 1347/1953, S. 380ff.; Miṣr: Maṭbaʿat al-Imām [1964], XI S. 460ff.
[170] Hg. Eugenio Griffini: Corpus Iuris, Milano: Ulrico Hoepli, 1919, Nr 543.
[171] ebenda, Nr 813
[173] al-Mahdī Ibn al-Murtadā: Kitāb al-bahr az-zaḫḫār zusammen mit dem Kommentar des Ibn Bahrān, Kitāb ǧawāhir al-aḫbār wa-l-āṯār, V, al-Qāhira: Maṭbaʿat as-Saʿāda, 1368/1949, S. 143f.
[174] Kitāb al-iqtiṣār, Hg. Muhammad Wahīd Mīrzā, Dimašq, 1957, S. 145.
[175] Adam Mez, a.a.O., S. 291; vgl. Martin Mordechai Zvi Steiner: „Zur Geschichte der theologischen Bewegungen im Islam“ in ZDMG LII, 1898, S. 472; Ibn al-Aṯīr: Kāmil für das Jahr 322h. (z.B. Bairūt: Dār Sādir & Dār Bairūt, 1386/1966, VIII S. 294).
[176] La passion d’al Hosayn.., Paris, 1922, S. 798 n. 1, S. 778 n. 1 = La passion de Husayn …, Paris, 1975, III S. 254, nn. 1, 5.
[177] ebenda, 1922, S. 690; 1975, S. 177.
[178] Zürich: Artemis, 1982.
[179] Hg. Helmut Ritter: Die Sekten der Schīʿa, İstanbul, 1931 (Bibliotheca Islamica IV).
[180] Tehran: Atai, 1963.
[181] Qummī, S. 51; Übers. Halm, S. 203.
[182] Qummī, S. 53; entspr. Naubaḫtī, S. 39; Halm, S. 209.
[183] Qummī, S. 57; Übers. Halm, S. 221. Inhalt der eckigen Klammer von Halm.
[184] Qummī, S. 92; entspr. Naubaḫtī, S. 71; Halm, S. 236.
[185] Sowohl „Nuṣairī“ wie „Alawiten“ sind Fremdbezeichnungen; erste hat aber den Vorteil, weder für die derzeitige marokkanische Herrscherdynastie, noch diverse turuq dieses Namens, noch für die – mit den Nuṣairī oft in einen Topf geworfenen – türkischen Bektaşiten verwendet zu werden.
[186] Qummī, S. 100; entspr. Naubaḫtī, S. 78; Halm, S. 282.
[187] Baron Silvestre de Sacy: Exposé de la réligion des druzes, tiré des livre réligieux de cette secte, II, Paris: Impr. Royale, 1838, S. 570.
[188] Heinz Halm, Die islamische Gnosis, Zürich: Artemis, 1982, S. 303f.